Karl H. Menzel (Kassel):
„Ich spiele ein bisschen Gitarre und mache viel PC-Musik." - Neue Musiktechnologie und ihre Anwendung im Amateurbereich
Die im Titel zitierte Äußerung eines Besuchers der Frankfurter
Musikmesse 2000 zeigt ein Phänomen, im Amateurmusikbereich, das mittlerweile
immer weitere Verbreitung erlangt: die Nutzung des heimischen PCs als Mittel
musikalischer Aktivitäten. Ausgestattet mit entsprechender Soft- und
Hardware wird der Computer zur Kompositionsmaschine, zum Klangerzeuger
oder zum virtuellen Tonstudio. Begünstigt durch das Aufkommen leistungsstarker
und vor allem kostengünstiger Komponenten ist diese digitale Musiktechnologie
nicht mehr nur ein Privileg zahlungskräftiger Aufnahmestudios oder
Profimusiker. Auch wird der Einstieg in die Verwendung des PCs zum Musikmachen
durch niederschwellige Angebote erleichtert, z.B. durch die preiswerten
und leicht bedienbaren ‚Light‘-Versionen professioneller Musiksoftware.
Im Rahmen einer empirischen Untersuchung zur Rezeption dieser neuen
Musiktechnologien habe ich Interviews mit 23 nicht-professionellen PC-Musikern‘
im Raum Kassel geführt. Hierbei ging es mir darum, Einblick in künstlerische
Anwendungszusammenhänge und die Bedeutung der Technologienutzung für
individuelle musikalische Werdegänge zu bekommen. Einige wesentliche
Ergebnisse diese Studie sind im Folgenden zusammengefasst.
Instrumente
Als ‚konventionelle‘ Hauptinstrumente der befragten PC-Musiker treten
fast ausschließlich Klavier/Keyboards und Gitarre in Erscheinung.
In den meisten Fällen wurde über einen längeren Zeitraum
Musikunterricht genommen, der z.T. auch noch andauert. Vier der befragten
Musiker verfügen nur über unwesentliche Fertigkeiten im Instrumentalspiel
und sind allein durch die technischen Möglichkeiten in der Lage, Musik
zu machen.
Musikpräferenzen
Die mitunter befürchtete Verflachung des Musikgeschmacks als Folge
der technischen Produktion von Musik wird durch die Studie nicht bestätigt.
Das Gros der befragten Musiker bezeichnet die eigenen Präferenzen
als weitgefächert und empfindet sich selbst als aufgeschlossen einer
Vielzahl von Stilrichtungen gegenüber. Musik wird differenziert wahrgenommen.
Unter den Ansprüchen an die favorisierte Musik stehen an erster Stelle
Originalität und musikalisches Können. Hierzu analog werden nahezu
durchgängig Abneigungen gegen einfallslos und standardisiert produzierte
Musik geäußert.
Stil
Musikmachen mit dem PC wird von den befragten Amateurmusikern fast
ausschließlich in Stilrichtungen der Populären Musik praktiziert:
Techno, Ambient, Rock, Pop, Tanzmusik etc. Hierbei spielt die Vorbildfunktion
professioneller Musikproduktionen eine gravierende Rolle. Demgegenüber
tritt eine Orientierung an klassischen Kompositionsprinzipien selbst bei
Musikern mit entsprechender Vorbildung nicht auf.
Produktion/Reproduktion
Musikmachen mit dem PC bedeutet in erster Linie das Schaffen eigener
Stücke. Dies mag erklären, warum vorrangig Gitarristen und Keyboarder
den Zugang zu dieser Technologie finden, wird doch von dieser Gruppe auch
in Bands das meiste Songwriting geleistet. Nur zwei der 23 befragten Musiker
nutzen die digitale Technologie zum Bearbeiten schon bestehender Musik
(MIDI-Files), in beiden Fällen bedingt durch Anforderungen ihrer Bands.
Gewichtung musikalischer Parameter
Grundlegendes Kompositionsprinzip der meisten PC-Musiker ist ein Ausgehen
vom Rhythmus. Vor allem bei Stücken, die nicht für einen bestimmtem
Bandkontext gedacht sind, werden die Parameter Groove und Sound stärker
gewichtet als Melodie und harmonische Struktur.
Arbeitsweise
Es überwiegen improvisationsähnliche Vorgehensweisen und
eine Trial-and-Error-Methodik. Künstlerische Kreativität zeigt
sich häufig auch im schöpferischen Umgehen mit Problemen des
Equipments.
Gender
Arbeit mit digitaler Musiktechnologie ist eine Männerdomäne.
Die Unterrepräsentanz von Musikerinnen in entscheidenden Positionen
in Rock-/Pop-Bands und die Zurückhaltung vieler Frauen hinsichtlich
Computertechnologie scheinen sich hier zu summieren. Bezeichnend ist, dass
die einzige Musikerin der Stichprobe vor der Beschäftigung mit der
digitalen Technik schon ihren Weg als anerkannte Leadgitarristin und Songschreiberin
gefunden hatte.
Zeitaufwand
Für die meisten der befragten Musiker bedeutet die Arbeit mit
Musiksoftware eine zeitliche und qualitative Ausdehnung ihrer musikalischen
Aktivitäten. Sie bietet eine Alternative zum traditionellen, meist
auf Reproduktion hin ausgelegten Instrumentalspiel, ohne dieses notwendigerweise
abzulösen. Dauerhaft erfolgreiche und befriedigende Arbeit scheint
aber auch auf diesem Gebiet nur möglich zu sein, wenn die Bereitschaft
zu kontinuierlicher Beschäftigung vorhanden ist.
Technischer Aufwand/Zufriedenheit
Es ist kein relevanter Zusammenhang erkennbar zwischen dem betriebenen
technischen und finanziellen Aufwand und der Zufriedenheit mit dem eigenen
musikalischen Arbeiten.
Karl H. Menzel
Friedrich-Fennel-Str. 24a
34128 Kassel
Email: k.men@t-online.de